Bijoux Freimaurerloge
Zur Wahrheit
i.O. Nürnberg, Nr. 582 a

Die Geschichte der Loge Zur Wahrheit und des
Freimaurerbundes "Zur aufgehenden Sonne ( FZAS )"


zusammengestellt von Andreas Hornig, Hirschaid

I. Monismus

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte Ernst Haeckel (1834 - 1919) mit einem Buch ("Die Welträtsel") ungeheueres Aufsehen erregt. Es schien den Weg zu zeigen, wie man rein wissenschaftlich alle Erscheinungen erklären könne, ohne einen allmächtigen Schöpfer zu benötigen. Das war ein gewissermassen einspuriger, daher auch als monistisch bezeichneter, Weg; im Gegensatz zu der als dualistisch bezeichneten Weltanschauung, welcher der Glaube an ein Leben im Diesseits und im Jenseits zugrunde liegt.

Anhänger dieser monistischen Überzeugung nahmen als sicher an, daß der unaufhaltsame Fortschritt der Wissenschaft die Kirchen und ihre Lehren zwangsläufig im Laufe der Zeit überflüssig machen werde.

Auf Initiative von Ernst Haeckel wurde 1905 der Deutsche Monistenbund in Jena gegründet, ein antikonfessioneller Zusammenschluß von Freidenkern, der sich in scharfer Polemik vor allem gegen die christlich-dogmatischen Lehren wandte und schlicht und einfach erklärte:

"Die Gesamterfahrung der Wissenschaft hat ergeben, daß alles in der Welt mit natürlichen Dingen zugeht

II. Situation der Freimauerei dieser Zeit

Es wird gesagt, daß ungefähr 3/4 der Bruderschaft dieser Zeit den drei Altpreußischen Großlogen angehörten. Dies waren

·        Die Große National - Mutterloge  „Zu den drei Weltkugeln" ( 1740 )

·        Die „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ ( 1770 ) und

·        Die „Große Loge von Preußen“, genannt "Zur Freundschaft" ; früher: Royal York ( 1798 )

Nur diesen drei Großlogen war es aufgrund eines königlichen Ediktes von 1798 gestattet, in den preußischen Staaten Logen zu gründen. Daher die Bezeichnung "Altpreußische Großlogen". Dieses Privileg wurde erst 1893 aufgehoben nachdem der aus der Großloge "Royal York" ausgetretene Großmeister Settegast die Großloge "Kaiser Friedrich zur Bundestreue" gegründet und einen entsprechenden Rechtsstreit durch alle Instanzen gewonnen hatte.

Auf der anderen Seite standen die sogenannten "Humanitären" Großlogen:

·      Große Loge von Hamburg ( die Tochterloge Absalom zu den drei Nesseln ist die älteste Loge Deutschlands, gegründet 1737 ),

·       Große Landesloge von Sachsen, gegründet 1738 in Dresden,

·       Großloge "Zur Sonne", gegründet 1741 in Bayreuth,

·        Große Mutterloge des Eklektischen Bundes, gegründet 1743 in Frankfurt a.Main,

·        Große Freimaurerloge "Zur Eintracht", gegründet 1846 in Darmstadt,

In Leipzig gab es ferner seit 1883 eine freie Vereinigung von fünf unabhängigen in ihrer Mitgliederzahl sehr starken Logen, die sich dann 1924 zur Großloge "Deutsche Bruderkette", Leipzig zusammenschlossen.

Christliche und humanitäre Logen waren in Deutschland aufgrund des Streits um die sogenannte "Christlichen Frage" entstanden:

Grundlage aller Freimaurerei ist bis heute das Konstitutionenbuch Andersons in seiner Fassung aus dem Jahre 1723. Dort heißt es in Abschnitt I, daß der Maurer zu der Religion verpflichtet ist, in der alle Menschen übereinstimmen.

Über die Auslegung dieser Formulierung herrschte Streit, der innerhalb von Deutschland dazu führte, daß sich 2 Hauptrichtungen herausbildeten; eben die sogenannte "christliche" und die sogenannte "humanitäre".

Die "christliche" Richtung vertritt die Auffassung, daß Anderson - selbst strenggläubiger presbyterianischer Geistlicher - nur die verschiedenen Formen der christlichen Religion gemeint haben kann, in welcher alle Maurer übereinstimmen sollen. Deshalb machen sie das christliche Bekenntnis zur Vorbedingung für die Aufnahme ihrer Mitglieder:

Die Lehrart der Großen Landesloge war ( und ist bis heute ) gemäß ihrer Verfassung " auf das Christentum gegründet, das die eigentliche Richtschnur für alles freimaurerische Streben bilden muß“ .

Unter Christentum wird verstanden die "alleinige Lehre Christi, wie sie in der Heiligen Schrift enthalten ist".

Die Große Landesloge war und ist also von dieser Grundlage aus nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, keine Nichtchristen aufzunehmen.

Bei den "Drei Weltkugeln" findet sich im Ritual von 1770 folgende Bestimmung: "Nur ein Christ kann in unseren ehrwürdigen Orden aufgenommen werden, keineswegs aber Juden, Mohammedaner, Heiden, denn nur die christliche Religion hat die ausschließliche Macht, ein böses Herz wieder gut zu machen."

Die liberalste unter den Preußischen Altlogen war die "Royal York zur Freundschaft". Sie hatte am christlichen Prinzip nur bis 1872 streng festgehalten und anschließend ihren Tochterlogen in dieser Hinsicht freie Entscheidung gelassen; 1924 wurde es aber wieder eingeführt.

Die "humanitären" Logen dagegen legten die "Alten Pflichten" Andersons dahingehend aus, daß die von Anderson geforderte religiöse Toleranz sich auf alle Glaubensbekenntnisse beziehen soll, also namentlich auch auf nichtchristliche. Zwar legten auch sie die Bibel auf den Altar ihres Tempels, aber für sie war die Bibel nicht gleichgesetzt mit der göttlichen Offenbarung und dem Glauben an den persönlichen Christengott sowie die Auferstehung; für die "humanitären" war die Bibel nur Symbol des Glaubens an eine göttliche Weltordnung; nicht das Zeichen einer dogmatischen Bindung an eine bestimmte Konfession.

Aber auch der Abschnitt II der Alten Pflichten, der von der "bürgerlichen Obrigkeit, der höchsten und untergeordneten" handelt, hat viele Debatten ausgelöst. Streit gab es hier um die Formulierungen: „Ein Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen Gewalt" und "sollte ein Bruder Empörer gegen den Staat sein, so ist er in seiner Empörung nicht zu bestärken".

Die Frage, wie weit ein Maurer ein friedfertiger Untertan zu sein habe, und was unter einem Empörer zu verstehen sei, hat viele Köpfe erhitzt.

In denjenigen Logen jedenfalls, die sich in Verfassung und Lehrart ihrem jeweiligen Landesherrn verpflichtet sahen, war dann auch von Untertanentreue, von Ehrfurcht und Ergebenheit gegenüber dem Landesherrn die Rede.

Allgemein kann gesagt werden, daß die "christliche" Freimauerei zu jener Zeit dank der Erinnerung an Friedrich den Großen hohe Achtung genoß u. die humanitäre - allein schon aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder erheblich weniger.

Allen gemeinsam war das Gedankengut des Dualismus wie oben beschrieben so entweder in katholisch-christlicher, konservativ-monarchischer oder protestantisch-kirchlicher Ausprägung und diese jeweils verbunden mit der staatstragenden Gesinnung der Zeit ; deren Mittelpunkt die gottgewollte Monarchie und das Nationalstaatsbewußtsein bildeten.

III. Die Antwort der Reformmaurerei

Da die Entwicklung der Zeit jedoch zugleich immer mehr von den rasanten Fortschritten auf allen Gebieten der Naturwissenschaften geprägt worden war, fand der Gedanke des Monismus bei aufgeschlossenen reformwilligen Menschen Begeisterung, wobei diese Freidenker von ihrem Denkansatz her, daß nämlich die ganze Welt sich rational mit Mitteln der Naturwissenschaft erklären lässt, naturgemäß mit denjenigen in Widerstreit gerieten, die der überkommenen Ideenwelt der gottgewollten Monarchie, des Nationalstaates und des Christentums anhingen.

Aus der Erkenntnis heraus, daß die Freimaurerei in dieser überkommenen Ideenwelt gefangen war, weil diese Ideenwelt es gerade nicht zuließ, ganz nach den Geboten der Toleranz und Brüderlichkeit zu leben, wurde dann der Gedanke nach einer auf der Grundlage des Monismus basierenden Reformmaurerei geboren, wobei sich zunächst in Nürnberg 1906 die "Deutsche Freidenkerloge" mit 19 Brüdern konstituiert:

Ihre Ziele sollen sein:

·        Selbsterziehung und Selbstveredelung des Menschen,

·        Vervollkommnung der menschlichen Gesellschaft,

·        Gleichberechtigung untereinander,

·        völlige Denk- Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Damit war die Grundlage zur Gründung eines "Allgemeinen Freimaurerbundes auf monistischer Weltanschauung" geschaffen, wie sie den geistigen Wegbereiter Loeberich vorschwebte.

Schon am 27.7.1907 kann dann in Frankfurt am Main eine Generalversammlung mit 127 Teilnehmern abgehalten werden, die beschließt, eine Großloge mit dem Namen "Freimauerbund Zur Aufgehenden Sonne" zu gründen, abgekürzt FZAS, welche sämtliche nach einem einzigen Ritual und auch nur im ersten Erkenntnisgrad arbeiten wollen, wobei die sogenannte "maurerische" Bekleidung abgeschafft ist, keine Bibel aufgelegt wird und keine Anrufung Gottes ( in Gestalt des Allmächtigen Baumeisters aller Welten ) erfolgen soll. Insbesondere können - und das ist ein Novum in der Freimaurerei - auch nicht Religionsgebundene ( sog. Atheisten ) aufgenommen werden.

Auf der Grundlage der monistischen Weltanschauung ist dies ganz konsequent. Denn wenn ich die Annahme für wahr halte, daß alles Sein mit Mitteln der Naturwissenschaft erkennbar und erklärbar ist brauche ich zum einen keine weiterführenden Erkenntnisgrade in einem philosophisch-humanitären Lehrgebäude, da sich ein solches schlichtweg erübrigt. Zum anderen kann ich dann natürlich auch mit Bezügen zu Gott oder Religion nichts anfangen und sie folglich auch in kein auf dieser Grundlage geschaffenes Ritual einbauen.

Ferner können in der Konsequenz eigentlich auch nur Atheisten aufgenommen werden. Diese letzte Konsequenz wird allerdings nicht gezogen, da man das Prinzip der Toleranz voranstellt.

Diese Besonderheiten des FZAS werden von den Altlogen als "nicht regulär" bezeichnet. Viele Versuche der Anpassung der Altlogen und des FZAS werden immer wieder an der Intoleranz beider scheitern; der FZAS bleibt vom Standpunkt der als regulär geltenden Freimaurerei illegitim; ein "Kuckucksei der deutschen Freimaurerei".

Darunter hatte der FZAS Zeit seines Bestehens zu leiden und viele Mitgliederverluste sind darauf zurückzuführen.  Seine Gründer aber erkannten den Altlogen kein Richteramt darüber zu, was rechtmäßig sei und was nicht. Die Echtheit ihres Ringes wollten sie allein durch maurerische Leistungen erbringen

Am 12.08.1907 wird der Beschluß aus Frankfurt umgesetzt und die Loge "Zur Wahrheit" (LzW) als Mutterloge des FZAS offiziell in der Gastwirtschaft "Stadt Wien" in der Brunnengasse, in Nürnberg gegründet; gleichzeitig wird sie als Landesloge Bayern des FZAS installiert.

In der Folge mietet die LzW für ihre Arbeit Räume im Heldengäßchen, in der Gartenstraße, in der Johannisstraße und im Bahnhofshotel an, um dann endlich das Haus Archivstraße 9 zu kaufen.

1908 konkretisiert sich die Forderung vieler Brüder, die Grade II und III mit in das Ritual aufzunehmen.

Damit einher geht die langsame Abkehr vom reinen Monismus.

Ab 01.07.1908 erfolgt die Herausgabe der "Sonnenstrahlen" als vertrauliche FZAS-Beilage in der Zeitschrift "Freie Glocken".

Dem FZAS gehörten viele namhafte Männer von internationalem Ruf an, z.B.:

Carl von Ossietzki, ein Kämpfer für Frieden und Freiheit, der die geheime Aufrüstung der Wehrmacht aufdeckte und dafür ins Gefängnis kam; er erhielt 1935 den Friedensnobelpreis, den er nicht annehmen durfte.

Kurt Tucholsky, ein Kämpfer für Wahrheit und Menschlichkeit. Die Nazis hatten ihn ausgebürgert, seine Bücher verboten und verbrannt.

Tucholsky und von Ossietzki waren die Herausgeber der politisch - satirischen Monatszeitschrift "Die Weltbühne"

Wilhelm Ostwald, Nobelpreisträger für Chemie.

Schon 1911 wendet sich der FZAS vom Gedankengut des Monismus ab, was das Ausscheiden von Loeberich zur Folge hat.

1914 erscheint die 2. Auflage des Ritualbuches mit Graden I, II, III durch Bruder Johannes Marcinowski.

1918 Nach dem 1. Weltkrieg nehmen die LzW und der FZAS (als erste Großloge) die schon vor dem 1. Weltkrieg gepflegten Beziehungen zu den Französischen Großlogen "Grand Loge" und "Grand Orient" sehr schnell wieder auf ,wollen gemeinsam die Wiederannäherung beider Nationen forcieren und treten für die Befriedung Europas ein.

Auch damit isoliert sich der FZAS von der übrigen Freimauerei Deutschlands, in der die Sage von der "Schmach von Versailles" genauso für wahr gehalten wird wie in weiten Teilen der Bevölkerung.

Inzwischen arbeiten in Europa 49 FZAS-Logen mit 1475 Brüdern. 1919 erfolgt eine weitere Überarbeitung der Rituale I und II; sie werden mehr den Ritualen der anderen Logen angepasst. Das Ritual III wird von christlich-religiösen Einflüssen vollständig befreit.

1921 erkennen "Grand Loge" und "Grand Orient" den FZAS bei der Gründung der "Association Maconique International" (AMI) als regulär an; der FZAS wird aber 1925 selbst, wegen des Einspruches der holländischen und der amerikanischen Großlogen, auf die Aufnahme in die AMI verzichten, um nicht direkt abgelehnt zu werden.

1923 existieren 79 FZAS-Logen mit 2850 Brüdern, die noch auf 3000 anwachsen werden (in Deutschland, der Schweiz, in Österreich, in der Tschechoslowakei und in Ungarn).

1924 wird der Sitz der Großloge FZAS von Nürnberg nach Hamburg verlegt.

1925-1927 wechseln wegen der Regularisierungs-Probleme 800 Brüder zur Großloge "Zur Sonne" über.

1930 gründen 600 Brüder (18 Logen des FZAS) die "Symbolische Großloge von Deutschland", aus welcher der deutsche "Alte und Angenommene Schottische Ritus" (AASR) hervortreten wird. Die "Symbolische Großloge von Deutschland" wird wegen der engen Kontakte zum AASR (die Bibel wird nicht aufgelegt) nicht anerkannt.

1932 richtet die LzW zum 25jährigen Jubiläum, in Nürnberg, im Deutschen Hof, den letzten Großlogentag vor der Machtergreifung aus; unter den Delegationen sind auch "Grand Loge de France" und "Grand Orient de France" anwesend.

Max Seber, der FZAS-Großmeister, ruft alle Brüder Meister zu geistigem Widerstand gegen das NS-Regime auf - im Gegensatz zu anderen Deutschen Großlogen, die sich nach der Machtergreifung 1933 den Nazis erst anbiedern und 1935 aufgelöst werden. Aufgrund dieser Vorkommnisse verkauft die LzW schon 1932 das Haus Archivstr. 9 und teilt den Erlös unter den Brüdern auf. Im gleichen Jahr 1932 tritt die LzW der "Symbolischen Großloge" bei. Die "Symbolische Großloge" emigriert im selben Jahr nach Israel.

1933 erfolgt im Frühjahr die offizielle Auflösung von FZAS und LzW.

1933-1945 In der "dunklen" Zeit finden zwanglose Treffen der Brüder in Kegel-, Wander-, und Gesangsvereinen, und im häuslichen Bereich sowie in verschiedenen städtischen Einrichtungen statt.

1945 Einige Arbeitsmittel können von Brüdern (u.a. von Bruder Leo Stahl; ehemaliger Polizeipräsident von Nürnberg) aus dem durch Kriegseinwirkungen zerstörten Haus Hallerwiese 16 gerettet werden.

Ab 1945 entwickeln sich die übriggebliebenen FZAS-Logen und die Loge "Zur Wahrheit" auf getrennten Wegen!

-         an der Fortsetzung des Artikels wird gearbeitet –

Stand 30.08.1998

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